Talent Relationship Management als strategischer Wettbewerbsvorteil

Um Qualifikationslücken zu vermeiden und frei werdende Stellen schnell zu besetzen, reicht es nicht mehr aus, sich der klassischen Rekrutierungsinstrumente zu bedienen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wer im Kampf um die Talente zukunftsorientiert denkt und sich von anderen Unternehmen abhebt.

Dabei wird es wichtiger, nicht nur einzustellen, sondern Beziehungen zu Talenten und Kandidat*innen aufzubauen und diese zu pflegen. Essentiell ist es, zu wissen, welche Zielgruppen in meinem Unternehmen erfolgskritisch sind und mit welchen Instrumenten diese „Nadeln im Heuhaufen“ ausfindig gemacht werden können.

Ein effektives und kreatives Instrument zur Identifikation und Bindung von Talenten ist dabei das Talent Relationship Management (TRM). Dieser Beitrag befasst sich mit der Philosophie und Herangehensweise dieses faszinierenden Personalmarketinginstrumentes.

*Wie immer wird im Sinne der Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind aber stets alle Geschlechter mit angesprochen.*

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Recruitment concept with hand picking employee

 

 Änderungen auf dem Arbeitsmarkt erfordern anderes Denken

Die einschneidenden Änderungen in der Arbeitsmarktstruktur und das veränderte Informationsverhalten von potenziellen Stelleninteressenten erfordern einen Paradigmenwechsel in der Vorgehensweise des Personalmarketings zur nachhaltigen Bindung von erfolgskritischen Zielgruppen an Unternehmen.
Die klassischen Marketing- und Rekrutierungsinstrumente, wie Hochschul- und Karrieremessen oder Stellenanzeigen, mit denen man lange Zeit bei Absolventen und Experten punkten konnte, reichen heute nicht mehr aus. Das Prinzip „Gießkanne“ oder „one size fits all“ hat längst ausgedient und das Dilemma liegt auf der Hand: Der Fachkräftemangel bleibt – ob Krise oder nicht – bestehen. Denn gerade in Krisenzeiten wird es unabdingbar, die ‚richtigen‘ Fachkräfte zu identifizieren und an das Unternehmen zu binden. Dies ist umso schwerer, wenn der persönliche Kontakt nahezu unmöglich ist, Onboarding-Programme nicht in der gewohnten Form durchgeführt werden können, und man auf virtuelle Collaboration Tools zurückgreifen muss.
Da viele Unternehmen noch nicht absehen können, wann und wie eingestellt werden kann, ist ein gut funktionierendes Beziehungsmanagement zu den erfolgskritischen Engpasszielgruppen elementar, um diese möglichst schon vor dem Recruiting gut kennen zu lernen und an die Arbeitgebermarke zu binden.
Das notwendige Bindeglied stellt dabei als zeitgemäßes und innovatives Personalmarketinginstrument das so genannte ‚Talent Relationship Management (TRM)’ dar, das für ausgewählte Zielgruppen sowohl eine wirksame Ansprache, als auch die notwendige Nähe zu den Kandidaten gewährleistet.

Zielgruppe - Adobe (Quellenangabe) - kleinere Abmessung

 

Talent Relationship Management (TRM): Gute Beziehungen wollen gepflegt werden

Die Ziele von TRM sind:

1. Eine langfristige Sicherung der Versorgung der Fachbereiche mit geeigneten Kandidat*innen aus kritischen Segmenten.
2. Eine Reduzierung der Fluktuation durch Bindungsmaßnahmen von Mitarbeitern mit entsprechenden Qualifikationen.
3. Der Aufbau einer Talent Pipeline, um mit interessierten Kandidat*innen im Gespräch zu bleiben.

Damit weist TRM weit über die üblichen Personalmarketingmaßnahmen hinaus.
Die Implementierung von Maßnahmen des TRM bedingt ein Umdenken in der Personalbeschaffung von Unternehmen und
Um TRM erfolgreich einzusetzen, müssen Unternehmen in der Personalbeschaffung umdenken. Der Personalbereich muss die Nähe zu den erfolgskritischen Zielgruppen erhöhen, die über TRM als innovatives Personalinstrument erreicht werden können, also die Philosophie des Personalmarketings weiter entwickeln. Als wesentliche Kandidatenquellen eignen sich die Social Business Networks, wie XING oder LinkedIn, die über Active Sourcing systematisch bearbeitet werden. Die Folge ist eine Entkopplung von Angebot und Nachfrage von der jeweiligen Unternehmenssituation: Strategische Personalbedarfe können bei entsprechend professioneller Maßnahmenplanung und Kommunikation mit den potenziellen Kandidaten zeitnah und nachhaltig in hoher Qualität gedeckt werden.

Im Wesentlichen beinhaltet TRM drei Grundprinzipien:

1. Die aktive, gezielte Identifikation von Talenten in Engpasszielgruppen.
2. Die individuelle, nachhaltige Kontaktpflege zu identifizierten Talenten. Im Idealfall sollte dies im persönlichen Kontakt erfolgen. Möglich ist aber auch der regelmäßige Kontakt über Social Media Kanäle. Das generelle Ziel ist, die Talente mittel- bis langfristig für den Arbeitgeber zu gewinnen.
3. Wertschätzung, Respekt und Authentizität als Erfolgsfaktor in der Kommunikation.

Aktiver_Passiver Kandidatenmarkt - kleinere Abmessung

Auf die Zielgruppe kommt es an

Talente können Auszubildende, Praktikanten, Absolventen, Doktoranden, Professionals, Führungskräfte sowie ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens sein. Denn die Basis von TRM ist der frühe Auf- und Ausbau von Beziehungen zu potenziellen Mitarbeitern außerhalb des Unternehmens. Damit setzt TRM hauptsächlich vor der aktiven Kontaktaufnahme durch Interessenten an. Gleichzeitig hört TRM nicht auf, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat.

Denn gerade ehemalige Mitarbeiter sind glaubwürdige Botschafter (ob positiv oder negativ) des Unternehmens. So wird über den Aufbau eines Alumni-Netzwerks die Beziehung zu interessanten ehemaligen Mitarbeitern gepflegt. Deshalb ist insbesondere die Gestaltung des Trennungsmanagements ein essentieller Bestandteil des Employer Brandings, mit dem wir uns in einem der folgenden Blog-Beiträge intensiver auseinandersetzen werden.

Die Zielgruppe der Professionals stellt die größte Herausforderung bei der Identifikation von Talenten dar. Denn interessierte, wechselwillige Bewerber zu erreichen, ist meistens nur über Business Netzwerke oder die Ansprache auf Produkt- und Fachmessen möglich. Aber genau diese Zielgruppe ist besonders interessant. Denn nach einer Studie von Gimbel und Deininger suchen etwa ein Fünftel aller potenziellen Arbeitnehmer aktiv nach neuen beruflichen Herausforderungen (s. Abbildung).

Der Aufbau von Talent Pools steigert die Auswahl und Qualität der Stellenbesetzungen

TRM zielt auf die zwei Drittel der Arbeitnehmer ab, die als passiv suchend klassifiziert werden können (Tiptoer, Explorer und teilweise sogar Super Passive). Genau an diesem Punkt kommt Social Media Netzwerken wie Xing und LinkedIn für Sourcer aber auch für Talente eine hohe Bedeutung zu. Denn der Aufbau von Talent-Pools steigert die Auswahl und Qualität der Stellenbesetzungen. Des Weiteren kann es sein, dass sich ein interessanter Bewerber auf eine Stelle bewirbt, die gerade besetzt worden ist.

Bei klassischen Rekrutierungsprozessen wird diesem Kandidaten eine Absage erteilt. Anschließend ist der Kandidat für das Unternehmen als potenzieller Mitarbeiter und/oder Kunde nicht mehr präsent. Über die Einsteuerung dieses Kandidaten in einen Talent-Pool wird der Kontakt durch Kommunikations-maßnahmen, wie Newsletter, persönliche Kontaktaufnahme, Geschäftsberichte, etc und vor allem über Social Media-Netzwerke gehalten. Auf diese Weise kann ein Portfolio an interessierten Kandidaten aufgebaut, und bei Bedarf schneller und einfacher rekrutiert werden.

Zielgruppe - Pixabay- kleinere Abmessung

TRM erfordert neues Denken: Vom Personalverwalter zum Talent Scout

Dies setzt aber auch voraus, dass Mitarbeiter im HR-Bereich den Wandel vom Personalverwalter zum Talent Scout vollziehen. Dabei werden grundlegende fachliche und soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeiten, psychologische Kenntnisse, Einfühlungsvermögen, Überzeugungskraft und eine hohe Social Media Affinität immer wichtiger. Der HR Business Partner muss geschäftsbereichsübergreifend denken und handeln, benötigt eine genaue Kenntnis von erfolgskritischen Zielgruppen und Netzwerken, in denen sich diese bewegen.

Das „Kontakthalten“ durch Unternehmen kann jedoch nur funktionieren, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Das Unternehmen hat die Zielgruppe hinsichtlich ihres Kommunikationsverhaltens und der genutzten Sozialen Netzwerke gut verstanden. Die Fokussierung auf ein breit angelegtes Soziales Netzwerk wie z.B. XING bringt nichts, wenn große Teile der Zielgruppe das Netzwerk nicht nutzen, sondern z.B. wissenschaftliche Netzwerke oder andere Communities bevorzugen.
2. Das Netzwerkverhalten des Unternehmens ist glaubwürdig. Es geht nicht in erster Linie darum, potenzielle Mitarbeiter zu identifizieren und wie ein Personalberater „kalt“ auf eine offene Position anzusprechen. Vielmehr ist das Ziel des Talent Relationship Managements, möglichst stabile Beziehungen aufzubauen, die auch unabhängig von akuten Personalbedarfen funktionieren und die angestrebte „Talent Pipeline“ langfristig ermöglichen.

Glaubwürdig ist ein Unternehmen nur dann, wenn den kontaktierten Talenten klar ist, dass es zunächst um einen Netzwerkaufbau geht. Dazu ist es einerseits erforderlich, eine wohldurchdachte Kontaktaufnahme mit den richtigen Botschaften zu gestalten und idealerweise einen Netzwerker seitens des Unternehmens, der in der Zielgruppe glaubwürdig ist und nicht nur als Akquisiteur wahrgenommen wird, einzusetzen. Dies ist denkbar, wenn der Talent Relationship Manager sich einerseits mit seinem eigenen Lebenslauf und einer Erklärung zu TRM bei den Talenten vorstellt – und zusätzlich z.B. als Ingenieur auf Augenhöhe mit Ingenieurszielgruppen kommunizieren kann.

Die Nutzung von Social Media für Bindungsmaßnahmen ist daher weniger ein Thema von „technischen Social Media Kompetenzen“ – das Know–how zur Bedienung der Netzwerke ist verhältnismäßig einfach zu erwerben – als vielmehr eine Frage des richtigen inhaltlichen Konzeptes und der Auswahl passender Akteure.

Die Effizienz und der Erfolg des TRM hängen also im Wesentlichen von folgenden Kriterien ab:

! der einheitlichen und klaren Ausgestaltung der Talent Management Prozesse
! der Rolle des Talent Managers, der geeignete Talente am Arbeitsmarkt und in den Social Media identifiziert, Maßnahmen und Interaktionsanlässe plant und mit der Fachabteilung umsetzt
! einer genauen Kenntnis der erfolgskritischen Zielgruppen, der sozialen Netzwerke und einer Planung der individuellen, für das jeweilige Unternehmen authentischen Maßnahmen

Autor:

Prof. Dr. Alfred Quenzler ist Partner von KHRC. Sie erreichen ihn unter alfred.quenzler@khrc.de

AlfredQuenzler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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