New Work, das ist es, was wir wollen – Ist es das wirklich???

Digitale Transformation und New Work in Zeiten von Corona

In meinem Blogbeitrag „Digitale Transformation und New Work“ vom April 2020 habe ich den Einfluss der Digitalisierung in den Unternehmen und damit verbunden, die Veränderung der Rolle, den Anspruch und den Erneuerungsbedarf für Führungskräfte betrachtet.

      Die Welt hat sich komplett gedreht

Kaum 9 Monate später hat sich die Welt komplett gedreht.

Die Umsetzung von „Digitaler Transformation“ und „New Work“ wurde durch ein Virus, das sich mit ungeheurer Geschwindigkeit auf allen Kontinenten ausbreitete, maßgeblich beeinflusst. Neue Arbeitsformen wie flexible Arbeitszeiten, Desk Sharing, fluide Teams, mobile Office, virtuelles Arbeiten wurden aufgrund der Notwendigkeit, Abstand zu halten, teilweise verhindert oder massiv beschleunigt. Zudem hat der gesetzlich verhängte „Lockdown“ weite Teile der Geschäftstätigkeiten untersagt. Homeoffice ist plötzlich weitreichend in der Anwendung. Wer seine Arbeit mit Computer, Internet und Telefon erledigen kann, nutzt diese Möglichkeit.

Digitale Plattformen und Medien, in Verbindung mit mobil-flexiblen und virtuellen Formen der (Zusammen-)Arbeit und der Kommunikation, kommen nun ad hoc zum Einsatz. Führen auf Distanz ist erforderlich.

      Die Erfolgsprinzipien für die Welt von morgen gelten unverändert

Nur mit der Besonderheit, dass die Zeitspanne für das Erlernen und Erproben der seinerzeit beschriebenen Erfolgsmechanismen für eine erfolgreiche Zukunft

  • Loslassen von Bewährtem und Mut zur Veränderungsbereitschaft.
  • Beziehungen stärken und Abgeben von Macht.
  • Vertrauen intensivieren und ehrlich kommunizieren.
  • Technologie erlernen und digitale Kompetenzen aufbauen.

sehr, sehr kurz war. Die „Normative Kraft des Faktischen“ machte das Handeln zwangsläufig erforderlich.

Die Situation bleibt für viele neu und ungewohnt. Denn von Zuhause zu arbeiten heißt, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Die eigentlich erforderlichen Rahmenbedingungen sind oft nur rudimentär geregelt.

      Die Komplexität steigt

Bevor ich zu einigen Tipps für die optimale Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitenden im Homeoffice komme, blicken wir gemeinsam auf ein paar Erfahrungen, die inzwischen vorliegen. Aus Gesprächen mit Kollegen und Freunden sowie meinem persönlichen Erleben ziehe ich folgende Lehren:

Qualität der Arbeit

Die fast ausschließlich digitale Zusammenarbeit erfordert ein höheres Maß an Strukturierung, Vorausplanung und Selbstdisziplin sowie eine intensive, digitale Kommunikation. Ein zuverlässiger Arbeitsfluss gerade bei spontanen Planänderungen ist ohne physische Treffen deutlich schwieriger zu gewährleisten.

Zusammenarbeit im Team

Trotz der höheren, persönlichen Arbeitsflexibilität des einzelnen Mitarbeiters bewerten diese die Teamarbeit teilweise kritisch. Den Mitarbeitern fehlt zunehmend die Möglichkeit, sich mit Kollegen treffen zu können, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Der persönliche Austausch fehlt, nicht nur im Hinblick auf die sozialen Bedürfnisse des Einzelnen, sondern auch aus Sicht der Führungskräfte, gerade mit Blick auf die Arbeitsqualität.

Flexibilität der Arbeit

Die Flexibilität des Arbeitens zuhause reduziert unter bestimmten Voraussetzungen die Stressbelastung der Beschäftigten. Sie steigert zudem aufgrund seltenerer Ablenkungen deren Produktivität. Erfolgsentscheidend dafür ist jedoch die Möglichkeit zum konzentrierten und abgeschiedenen Arbeiten (z. B. abgeschlossenes Arbeitszimmer) sowie leistungsfähige, technische Gegebenheiten (stabiles WLAN, Anbindung an notwendige EDV-Systeme).

Fehlen diese Voraussetzungen können die beschriebenen Vorteile der Flexibilität schnell ins Gegenteil umschlagen. Erschwerend dazu kann der aktuell noch herrschende Distanzunterricht an Schulen und Hochschulen, der im familiären Umfeld zu Überschneidungen (Kinder und Berufstätige zuhause) führt, die positiven Effekte der Flexibilität leicht eliminieren.

Kommunikation zu Chefs und Kollegen

Die Webkonferenz ist mittlerweile DAS Tool der „neuen“ Arbeitswelt. Es verbindet Menschen über tausende Kilometer oder auch nur ein Stockwerk miteinander. Videokonferenzen ersetzen das fehlende Bindeglied zwischen Gegenübersitzen und Hinreisen.

Sie haben in den vergangenen Monaten geholfen, sich zu vernetzen und „sich nicht aus den Augen zu verlieren“, standortunabhängig zusammenzuarbeiten und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Inzwischen zoomen, skypen und Teamen viele von uns.

Führung auf Distanz

„Remote Management und Virtual Leadership – Neue Wege in die Zukunft des Führens“. Prof. Dr. Alfred Quenzler hat in einem Blogbeitrag im vergangenen Jahr diese neue Form des Führens ausführlich behandelt.

Insbesondere seine conclusio verdeutlicht die Herausforderung, der sich Führungskräfte ad hoc stellen müssen, und die es zu bewältigen gilt:

Virtual Leadership – eine Ergänzung zur persönlichen Führung

Letztendlich geht es nicht um ein komplettes neues Set an Kompetenzen und Fähigkeiten, sondern darum, die in der persönlichen Führung erworbenen Skills intelligent in die Virtual Leadership zu transferieren. Ein hohes Maß an Sensibilität aber auch Entscheidungsfreudigkeit sind ebenso wichtig wie ein genaues und transparentes Nachverfolgen von Aufgaben. Im Persönlichen wie auch im Virtuellen sind Kommunikation, Empathie und aktives Zuhören die Schlüssel zum Erfolg.

Wie wird nun die Entwicklung nach dem zu erwartenden Ende der Pandemie weitergehen? Wie wird es „Morgen“ weitergehen? Kehren wir alle in die gewohnte „Normalität“ zurück oder wollen wir das Gelernte und Erprobte behalten?

      Wie geht es weiter?

Es hat sich gezeigt, dass das Homeoffice Vorteile für viele, aber längst nicht für alle Arbeitnehmer bietet. Dennoch kann man davon ausgehen, dass viele Beschäftigte auch nach der Pandemie diese Arbeitssituation nutzen wollen. Zudem haben zahlreiche Firmen bereits angekündigt, auch nach der Pandemie interessierten Mitarbeitern das Homeoffice weiterhin ermöglichen zu wollen.

Vor diesem Hintergrund müssen die Unternehmen bereits heute eine Art „Regieanweisung“ für alle Führungskräfte und Arbeitnehmer entwickeln, die auch zukünftig wesentliche Teile ihrer Arbeit mit Computer, Internet und Telefon von zu Hause oder einem anderen Arbeitsort aus erledigen wollen und können.

Arbeitszeitregelung und Erreichbarkeit

Es braucht klare Vereinbarungen zu Arbeitszeitregelungen. Beginn, Ende und Pausen müssen in einem flexiblen, transparenten Rahmen definiert werden. Gerade so als wären die Beschäftigten im Büro. Homeoffice kann nicht andauernde Erreichbarkeit bedeuten.

Zudem sollten an die internen und externen Kunden die neuen Arbeitsmodalitäten hinsichtlich Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und etwaigen Einschränkungen bei Services kommuniziert. Das sorgt für die nötige Klarheit.

Technische Infrastruktur

Ohne leistungsfähige technische Infrastruktur kein Homeoffice. Die Erfahrungen im Lockdown haben dies bestätigt. Die nötigen Voraussetzungen, von mobilen Geräten (Handy, Laptop) über die Einrichtung einer leistungsstarken, unternehmensinternen Server-Struktur bis zur Einrichtung einer stabilen, leistungsfähigen Internetverbindung, müssen einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern vereinbart und umgesetzt werden. Nach einer weitreichenden, teilweise chaotischen „Notfallnutzung“ von unterschiedlichsten Online-Services in den vergangenen Monaten, sollten Entscheidungen für passende, leistungsstarke Provider getroffen werden.

Zusammenarbeit von Führungskräften und MitarbeiterInnen

Ein Führen auf Distanz erfordert andere Kompetenzen, beinhaltet andere Motivationsfaktoren und beansprucht andere Mechanismen von Organisation, Zielvereinbarung und Leistungsabsprache als bisher erprobte Verhaltensmuster der Führung.

Diese Veränderungen müssen konkretisiert, besprochen, vermittelt und trainiert werden. Auch wenn aufgrund der aktuellen Lage, viele Dinge „einfach und unvorbereitet passiert sind“. Es ist zwingend erforderlich, diese Themen nachzuarbeiten. Denn der Schlüssel zur erfolgreichen Zielerreichung ist wirksame Führung. Wichtig ist auch die Kommunikation an die Teams und deren Einbindung in den Prozess.

      Leitgedanken zum Remote Management

Ergänzend zu den oben angeführten Überlegungen von Alfred Quenzler können Führungskräfte sich an folgenden Leitgedanken orientieren:

  • Vertrauen statt Kontrolle fördert Eigenverantwortung und Motivation.
  • Das Einhalten von Vereinbarungen (z. B. Arbeitszeitregelungen) ist auch seitens der Führungskräfte elementar wichtig und vermittelt eine authentische Führungskultur.
  • Berufstätige Eltern brauchen aufgrund von Home-Schooling Rücksichtnahme. Asynchrones Arbeiten kann eine Hilfe sein.
  • Raum für Kommunikation ist wichtig. Der Austausch mit den Mitarbeitern ist für ein professionelles und eigenständiges Arbeiten erforderlich.
  • Teammeetings haben Priorität. Die Absage virtueller Teammeetings ist möglichst zu vermeiden, denn für die Mitarbeiter im Homeoffice ist es die einzige Möglichkeit, sich regelmäßig abzustimmen und einen engen Kontakt zu pflegen.
  • Ergänzend dazu sind „offene Team-Diskussionsrunden“ ein gutes Mittel, um ein Gemeinschaftsgefühl zu fördern und einen produktiven Austausch insbesondere in Krisenzeiten zu gewährleisten.
  • Rückkoppelungsschleifen bieten sich an, um den Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern zusätzlich zu fördern. Online-Befragungen auf Teamebene können Stimmungsbilder und Ansatzpunkte für Anpassungsnotwendigkeiten verdeutlichen sowie Stolpersteine im Alltag und Verbesserungspotenziale identifizieren.

Aber dennoch: Trotz aller beschriebenen positiven Effekte des Arbeitens auf Distanz sollten wir nicht vergessen, dass die Arbeit einen ganz wesentlichen Teil unseres Lebens ausmacht und wir damit sehr viel Zeit verbringen.

      Home Office – ist das wirklich alles?

Wollen wir das wirklich ausschließlich „alleine“ im Homeoffice tun? Teammeetings nur am Bildschirm? Team-Diskussionsrunden nur virtuell? Gespräche mit dem Chef ausschließlich vor dem Laptop?

Meine Vision von „Morgen“ in dem beschriebenen Kontext:

Homeoffice sollte künftig als ein Baustein von New Work in einem Portfolio von modernen Arbeitszeitformen genutzt werden. Durch den weiterführenden Einsatz digitaler Medien können Dienstreisen für standortübergreifende Vernetzung auf ein notwendiges Maß beschränkt werden. Ein Großteil dieser Meetings kann virtuell stattfinden. Ähnliche Erwägungen müssten auf Messen und Events angewendet werden.

Bei der damit möglichen Neustrukturierung unserer Bürowelten sollten ausreichende „Arbeitsmöglichkeiten“ in Form von flexiblen Besprechungs-/Arbeitsräumen geschaffen werden. So lassen sich einerseits Einsparungen durch straffere Bürolandschaften realisieren. Andererseits bleiben Möglichkeiten erhalten, physisch zusammenzukommen und bedarfsorientiert als Team und Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Und auch in der Arbeit brauchen wir von Zeit zu Zeit die Nähe und den persönlichen Austausch mit unseren Kollegen, um Ziele gemeinsam zu erreichen und gemeinsam erfolgreich zu sein.

 

Autor:

Josef Schelchshorn ist Associate Partner bei KHRC. Sie erreichen ihn unter josef.schelchshorn@khrc.de

 

 

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Espresso

Eine philosophische Betrachtung

Dr. Christoph Riedel ist Psychologe, Theologe und Philosoph und arbeitet als Senior Expert bei KHRC. Seine Spezialgebiete sind Trennungsmanagement und Führung in Grenzsituationen. Während der Corona-Pandemie hat KHRC mit ihm eine Methodik entwickelt, um virtuelle Kündigungsgespräche wertschätzend, mit dem gebotenen Einfühlungsvermögen und sinnvollen Unterstützungsangeboten zu führen. Hierüber werden wir in einem der folgenden Blogs berichten.

In seinem eigenen Blog www.epimeleia.blog widmet sich Christoph der Aufmerksamkeit und Sorge für ein gelingendes Leben. Der Blog ist Teil seiner „Einübung in den Ruhestand“. Unlängst stellte er einige philosophische Betrachtungen rund um ein italienisches Heißgetränk an, das für manche Lebenselixier ist – den Espresso.

Da der Espresso auch eine zentrale Rolle für die Kultur von KHRC spielt und deshalb vermutlich nicht unwesentlich zum Unternehmenserfolg beiträgt, freuen wir uns, diesen Beitrag auch mit unseren Leserinnen und Lesern teilen zu dürfen.

Eines meiner Lieblingsgedichte stammt von Tomas Tranströmer

Der schwarze Kaffe auf der Terrasse
mit Stühlen und Tischen prächtig wie Insekten.

Es sind kostbar aufgefangene Tropfen,
gefüllt mit der gleichen Kraft wie Ja und Nein.

Er wird aus dem dunklen Café hinausgetragen
und blickt in die Sonne, ohne zu blinzeln.

Im Tageslicht ein Punkt von wohltuendem Schwarz,
Das schnell in einen bleichen Gast ausfließt.

Er ähnelt den Tropfen aus schwarzem Tiefsinn,
die bisweilen von der Seele aufgefangen werden,

Die einen wohltuenden Stoß geben: Geh!
Inspiration, die Augen öffnen.

Einen Espresso trinken, in der Sonne sitzend, sicher bleich nach Winter und Pandemie, das ist eine Utopie, die mir manchmal in den Sinn kommt. Dabei bereite ich jeden Tag mehrere Espressi. Ich trinke sie manchmal vertieft in meine Forschung, beiläufig beim Schreiben, oft als gemeinsames Innehalten mit meiner Partnerin, zum Ausklang eines guten Essens. Ich trinke den Espresso zu Hause. In den letzten Tagen vermehrt mit der Sehnsucht nach dem Kaffee auf der Terrasse.

Mir gelingt es bis jetzt ganz gut, mit dem gebotenen Rückzug zu leben. In meiner Welt fand ich zu einer Ordnung, die ich mit ein wenig Disziplin auch durchhalte. Meist am Morgen gebe ich meinem Tag eine möglichst klare Struktur, die der oft gemeinsam getrunkene Espresso interpunktiert. Ja, es stimmt schon: der kleine rasch zubereitete Kaffee, meist mit einem Häubchen geschäumter Milch abgerundet, bildet die Satzzeichen in meiner Tagesgeschichte. Zuweilen ist er ein Komma, das zwei Gedankenwelten voneinander abhebt. Manchmal ist er der Doppelpunkt, der einen Vorsatz anhält, um Raum für das Folgende zu öffnen. Öfter am Tag schließt er auch eine Zeit des Tuns ab. Ein Fragezeichen markiert er selten. Eher ein Ausrufezeichen: Jetzt aber mal losgelegt. Am liebsten mag ich ihn als Gedankenstrich. Dann nippe ich ein wenig aus der kleinen Tasse diesen Punkt von wohltuendem Schwarz, und dehne den Genuss, so dass Weile entsteht. In der Weile entfaltet der Espresso tatsächlich Tiefsinn, öffnet den Raum für das Spiel der Worte, zu denen Gedanken sich gestaltet haben, oder zu Gedanken, die noch nach ihrem Wort suchen. Glück, wenn sich davon in der Seele ein Abbild erhält.

In jenen wunderbaren Espressoweilen, in denen expressiv wird, was vorher nur im Keim angelegt war, denke ich dann an den Philosophen Markus Gabriel, der einen neuen Realismus propagiert, der den „moralische[n] Fortschritt in dunklen Zeiten“ fördern soll. Espresso würde da evidente Tatsache sein, ein braunes Getränk in einer kleinen Tasse. Sein Duft wird zum olfaktorischen Ereignis. Beschreibbar. Der Wert des Ereignisses besteht nach Gabriel darin, ob der Kaffee klimaverträglich, ressourcen-schonend angebaut, transportiert und veredelt wird. Ach, ver-edelt – ist das nun eine moralische Tatsache, also gut? Oder lässt mir nur meine Uninformiertheit über all das Böse am Prozess, bis der Espresso mit nussbrauner Crema in meiner kleinen Tasse duftet, die Vorfreude auf den Genuss? Darf es keine Welt der Metaphern geben, die ich bisher als Vehikel von Bedeutung, wenn nicht Sinn wähnte? Auf den Espresso ist Verlass: er vermittelt Inspiration, die Augen zu öffnen.

 

Quellen:

Gabriel, M. (4. Aufl. 2020): Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten. Berlin (Ullstein)
Tranströmer, T. (1997): Sämtliche Gedichte. München (Hanser)

 

 

Autor:

Dr. Christoph Riedel ist Senior Expert bei KHRC. Sie erreichen ihn unter info@khrc.de

 

 

 

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